CfP 25. Jahrestagung: Imaginationen und Praktiken des Rechts in der Vormoderne (Bielefeld, 23.–24.11.2018)

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Im Zeitalter der Globalisierung ist das Nebeneinander verschiedener staatlicher und internationaler Rechtsordnungen Normalität geworden. Schon ein oberflächlicher Blick auf vormoderne Rechtsquellen, vor allem auf narrative Repräsentationen von Rechtshandlungen, belegt zudem, dass der heute zu beobachtende Rechtspluralismus als Koexistenz verschiedener Rechtsordnungen und Normensysteme eine lange Geschichte aufweist. Umso deutlicher wird dies aus rechtsanthropologischer Perspektive bzw. aus dem Blickwinkel der dispute studies, lassen doch referentielle Erzähltexte, verschiedene Arten des Verwaltungsschriftguts (Urkunden, Writs, Briefe), aber auch fiktionale Narrationen einen bewussten Umgang mit verschiedenen rechtlichen Strategien im Konflikt und ihre Reflexion bereits im Mittelalter erkennen. Diese Strategien umfassen die Wahl des Gerichts, etwa in Form des Forum Shopping, die Argumentation mit Normen und Gewohnheiten sowie die Ausbildung professioneller Praktiken im Handeln vor Gericht.

In Anlehnung an eine anthropologische Definition von Rechtsquellen lautet die methodische Grundüberlegung, dass Recht ist, was sich im Konfliktfall in rituellen oder habituell wiederholten Handlungsmustern zeigt und daher aus einer Vielzahl an Quellengattungen zu erschließen ist. Diese schließen neben verschiedenen Textgattungen auch Bildmedien ein. Daher werden Vorstellungen und abstrahierende, narrative oder bildliche Repräsentationen von Normensystemen und ihrer Funktion zunächst gleichberechtigt als Fiktionen betrachtet, und zwar insofern, als „das Recht“ nicht als eine harte, von außen gegebene Kategorie gedacht wird, sondern als etwas, das stets nur durch soziale Interaktion und Praktiken, oder genauer ihre Perzeption bzw. Imagination, fassbar wird. Hierdurch wird die Thematik nicht allein kulturgeschichtlich, sondern ausdrücklich auch genre- und medienübergreifend geöffnet. Die Historisierung der verschiedenen Normensysteme und ihrer Entstehung wird dabei als Perspektive nicht ausgeschlossen.

Wie bei jeder Tagung des Brackweder Arbeitskreises können die Beiträge chronologisch in der gesamten Vormoderne angesiedelt sein. Die Tagung ist für alle Disziplinen offen; der Arbeitskreis freut sich auf einen fruchtbaren Austausch zwischen Geschichte, Kunstgeschichte, Philologien und Rechtswissenschaft.

Mögliche Themen umfassen zum Beispiel das Verhältnis von Rechtstexten und narrativen Texten, die narrative Modellierung des Rechtsgebrauchs bzw. konkurrierender Rechtsgebräuche, bildliche Repräsentationen von Normensystemen und Rechtshandeln sowie Text-/Bildrelationen in diesem Kontext. Rechtspraktiken und ihre Deutung, konkurrierende Rechtsansprüche und das Aushandeln von sozialem Status vor Gericht können ebenfalls thematisiert werden. Des Weiteren sind Beiträge zur interkulturellen Rechtsprechung, zu Legal Pluralism oder Multinormativität sowie zur Diskussion dieser modernen Konzepte und ihrer Gültigkeit für die Vormoderne denkbar.

Die Tagung richtet sich insbesondere, aber nicht ausschließlich, an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler; sie ist fachöffentlich und bedarf keiner Einladung. Um rechtzeitige Anmeldung wird jedoch aus organisatorischen Gründen gebeten. Die Vorträge sollen eine Dauer von 30 Minuten haben. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Wir bemühen uns um die Übernahme der Reisekosten für die Vortragenden.

Wir bitten alle Interessierten, bis zum 17.08.2018 ein kurzes Exposé (ca. 300 Wörter) sowie einen kurzen Lebenslauf einzusenden (Kontakt: silke.schwandt@uni-bielefeld.de).

Organisatoren

Dr. Silke Schwandt                               Jun.-Prof. Dr. Roland Scheel
Universität Bielefeld                            Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Geschichte                           Skandinavisches Seminar
Universitätsstraße 25                           Käte-Hamburger-Weg 3
33615 Bielefeld                                      37073 Göttingen
silke.schwandt@uni-bielefeld.de      rscheel@uni-goettingen.de